von StB Stefan Link, Schneider Kissel Wetzlar, www.schneider-kissel.de
Am 17.12.2014 hat das Bundesverfassungsgericht erneut das Erbschaft- und Schenkungssteuerrecht in Teilen als verfassungswidrig eingestuft. Im Grundsatz bedeutet das: Die aktuellen Steuerbefreiungen beim Vererben von Betrieben sind unzulässig, auch wenn grundsätzlich Einigkeit dahingehend besteht, dass Familienunternehmen auch künftig entlastet werden sollen, weil sie der Arbeitsplatzmotor der deutschen Wirtschaft sind. Aber was bedeutet das Urteil konkret?
Der heutige Stand der rechtlichen Regelung
Wenn heute Betriebsvermögen vererbt wird, gibt es zwei Varianten, an denen sich die Besteuerung ausrichten kann:
1. Regelverschonung
Standardmäßig kommt bei der Versteuerung von Betriebsvermögen die sogenannte Regelverschonung zur Anwendung. Dabei wird das vererbte oder verschenkte Betriebsvermögen sofort zu 15% versteuert. Diese 15% können zusätzlich mit einem Abzugsbetrag begünstigt werden, der maximal 150.000 Euro beträgt.
Eine weitere Erleichterung: Wenn der Erbe oder Beschenkte das Unternehmen mindestens fünf Jahre weiterführt, bleiben die restlichen 85% des Betriebsvermögens steuerfrei, wenn die sogenannte Lohnsummenklausel eingehalten wird. Das ist der Fall, wenn die Summe aus Löhnen und Gehältern während dieser fünf Jahre insgesamt mindestens 400% der ursprünglichen Ausgangslohnsumme beträgt.
Eine Ausnahme von der Lohnsummenklausel gilt für Unternehmen, die nicht mehr als 20 Beschäftigte haben oder die im Moment der Erbschaft oder Schenkung eine Lohnsumme von null Euro hatten.
2. Verschonungsoption
Alternativ zur Regelverschonung kann auch die sogenannte Verschonungsoption gewählt werden. Mit ihr wird eine Steuerfreistellung von 100% ermöglicht. Bei dieser Option darf das sogenannte Verwaltungsvermögen maximal 10% betragen, das Unternehmen muss sieben statt fünf Jahre gehalten werden, und die Lohnsumme beträgt 700%.
Auch hier greift die Sonderregelung für kleinere Unternehmen: Die Lohnsummenklausel wird nicht angewendet, wenn das Unternehmen maximal 20 Beschäftigte hat oder die Ausgangslohnsumme null Euro betrug.
Warum ist das Gesetz in Teilen für rechtswidrig erklärt worden?
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung klargemacht, dass vor allem Familienbetriebe im Erbfall steuerlich begünstigt werden sollen, weil es legitimes Ziel einer Erbschaftsteuerregelung sei, Arbeitsplätze zu erhalten. Allerdings hält das Gericht die aktuelle Regelung in vielen Teilen für falsch.
1. Arbeitsplatzerhalt
Ziel der Steuerbegünstigung soll es sein, Betriebe bei der Erbschaftsteuer zu entlasten, um die Arbeitsplätze zu erhalten. Das Gesetz sieht dabei vor, dass Betriebe ausnahmsweise bevorzugt behandelt werden, wenn Sie maximal 20 Mitarbeiter haben. Das ist in Deutschlands Unternehmen jedoch die Regel – neun von zehn Betrieben haben weniger als 20 Mitarbeiter. Eine solche Regelung ist nach Ansicht der Bundesverfassungsrichter nicht sinnvoll begründbar.
2. Großunternehmen
Von der aktuellen Regelung der Erbschaftsteuer profitieren große wie kleine Unternehmen, obwohl nicht nachvollziehbar begründet wird, dass Großunternehmen wirklich von der Steuer entlastet werden müssen.
3. Schlupflöcher
Ein Dorn im Auge ist den Richtern auch die derzeitige Ausgestaltung derjenigen Regelungen, die in erheblichem Umfang Spielraum zur steuerlichen Gestaltung lassen, um Abgaben zu sparen.
Ausblick: Was passiert jetzt?
Der Gesetzgeber hat vom Bundesverfassungsgericht einen klaren Auftrag dahingehend erhalten, die verfassungswidrigen Regelungen zu ändern. Vor allem aber sollen die steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten erheblich eingeschränkt werden, sodass das Erbschaftsteuerrecht in seiner Anwendung nicht davon abhängig ist, wie gut der jeweilige Steuerberater ist.
1. Wird es teurer für Erben?
Konkret lässt sich das heute natürlich noch nicht sagen. Entscheidend ist die Aussage der Karlsruher Richter, dass im Prinzip gegen eine erbschaftsteuerliche Bevorzugung von Unternehmen nichts einzuwenden sei, wenn damit das Ziel erreicht werden kann, Arbeitsplätze zu sichern.
2. Müssen Sie aktiv werden?
Grundsätzlich ist von steuerlichen „Schnellschüssen“ eher abzuraten. Es ist unklar, wie die erbschaftsteuerliche Regelung in Zukunft überhaupt gestaltet wird. Vor allem aber haben die Richter klargemacht, dass kein Unternehmer und damit auch kein Erbe oder Beschenkter im Vertrauen auf die heutige Regelung disponieren darf. Mit anderen Worten: Eine Neuregelung des Erbschaftsteuerrechts kann auch rückwirkend erfolgen. Damit kann es passieren, dass eine auf Basis der heute geltenden gesetzlichen Grundlagen getroffene Übertragung des Unternehmens im Nachhinein nach dem spätestens bis zum Jahr 2016 zu verabschiedenden Gesetz zu bewerten ist.
Hinweis: Im Idealfall richten Sie sich heute auch dann nach den Lohnsummenregelungen, wenn Ihr Unternehmen weniger als 20 Mitarbeiter hat. Wenn Sie dann noch die Grenzen beachten, die für Verwaltungsvermögen gesetzt sind, dann wird auch ein verschärftes Gesetz aller Voraussicht nach Ihnen und Ihrem Unternehmen keine Probleme bereiten.